Große Stoffmengen über lange Zeit pünktlich zur Prüfung wie dem Abitur oder Staatsexamen können – ohne Stress? In diesem Artikel erfährst du wie du deinen maßgeschneiderten und realistischen Lernplan erstellst.
Im Folgenden zeige ich dir mein Lernplansystem, mit dem ich mich über zwei Jahre auf die horrende Stofffülle des ersten juristischen Staatsexamens vorbereitet habe. Komplett ohne Leitlinien anderer. Es soll doch schließlich dein persönlicher, maßgeschneiderter Lernplan werden, oder?
Also, wollen wir loslegen: Wenn du eher der analoge Typ bist, schnapp dir ein paar DIN-A4-Blätter, Stift und Lineal. Zeichne eine Tabelle mit 4 Spalten, die du bei Bedarf über weitere Blätter erweiterst. Die linke Spalte darf etwas breiter sein; in die anderen Spalten kommen nur kurze Zahlen. Computeraffine legen eine solche Tabelle in Excel o.ä. an. Das ist leichter zu bearbeiten und profitiert von automatischen Kalkulationen. Das spart wirklich viel Arbeit, gerade weil wir den Plan während der Durchführung mehrmals anpassen werden. Insofern würde ich diesen Weg sehr empfehlen. Hierfür habe ich sogar eine eigene Vorlage für dich!
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Schritt 1: Ziele definieren 🏁
Überlege zunächst, was genau du bis wann können musst. Je nach Umfang kann es gut sein, dass du dir einen Tag Zeit nehmen musst.
Wenn du auf eine Prüfung hin lernst, wird die zeitliche Komponente 🕰 ziemlich klar sein. Notiere dir die Deadlines trotzdem über der Tabelle. Vergegenwärtige dir jetzt schon einmal, wie viele Wochen du noch hast.
Die inhaltliche Seite 📜 ist etwas umfangreicher. Wenn du auf eine zentrale Prüfung wie dem Abitur oder Staatsexamen hin lernst, wird der Prüfungsstoff vermutlich öffentlich definiert sein, z.B. hier für das Abitur in NRW oder hier für das 1. juristische Staatsexamen in NRW. Für andere Länder wirst du Entsprechendes auf Google finden. Wenn du auf dezentrale Prüfungen in der Schule oder Hochschule lernst, können dir etwa die Vorlesungsgliederung oder das Inhaltsverzeichnis des verwendeten Lehrbuchs helfen. Nehme die inhaltlichen Anforderungen nicht einfach nur zur Kenntnis, sondern schreibe sie dir ab. 🖊 Ehrlich. So wird dir viel bewusster, was genau du eigentlich können musst, und es ist nicht mehr nur eine „diffuse“ Ahnung. Liste den Stoff in der linken Spalte untereinander mit genug Abstand auf, gruppiert danach, bis zu welcher Deadline du ihn können musst.

Achte dabei auch ganz konkret auf die Art der Aufgabenstellungen, die in den Themen gestellt werden können, oder die Tiefe an Kenntnis, die verlangt wird. Selbst die berühmt-berüchtigte Stofffülle des juristischen Staatsexamens wird handlebarer, sobald man feststellt, wie viel man nur „im Überblick“ können muss. Bzgl. der Aufgabenstellungen findest du hier z.B. eine Liste an Überprüfungsformen, sprich möglichen Aufgabenstellungen, im Abiturfach Biologie in NRW. Selbiges wirst du für andere Fächer und Länder finden. Nehme einmal die Perspektive eines Lehrers oder Klausurenerstellers beim Prüfungsamts ein. Frage dich, was du von deinen Prüflingen hören wollen würdest, wenn du dich für eine bestimmte „Überprüfungsform“ entscheiden würdest.
Dein Ziel ist es, genau das wiederzugeben, was der Klausurersteller von dir hören will. All deine künftigen Anstrengungen müssen sich danach richten. Es nützt weder, nicht Gefragtes zu lernen, noch, viel zu wissen, aber es nicht richtig wiederzugeben. Klingt vielleicht banal, aber ich kann es nicht genug betonen‼ Zum Stoff gehört nicht nur das Was, sprich die Themen, sondern auch das Wie, sprich die „Modi“, in denen du die Themen ausdrücken können musst. Schreibe auch diese Modi auf.
Schritt 2: Materialien festlegen 📚
Jetzt weißt du genau, was dein Ziel ist. Erst jetzt kannst du seriös planen. Um im nächsten Schritt den Zeitaufwand berechnen zu können, musst du wissen, mit welchen Materialien du lernen willst. Das können etwa deine Mitschriften, Handouts, Folien, Skripte, Lehrbücher, Videos usw. sein. Wähle diese anhand folgender Kriterien aus:
- Wie nahe ist das Material an den Zielvorgaben dran? Deckt es, ggf. zusammen mit anderen Materialien, alles Nötige ab oder kannst du gar Teile außer Acht lassen? Verbuche einen Bonus für Materialien deines Lehrers/Dozenten, wenn er die Klausur stellt. Diese werden natürlich am ehesten an den in der Klausur gefragten Inhalt reichen.
- Wie verfügbar ist es? Hast du es direkt zur Hand oder musst du es beschaffen? Einscannen? Kostet es was? Ist es ordentlich und leserlich? 😉
- Mit dem groben Gefühl, das du im ersten Schritt für das Verhältnis deiner verbleibenden Zeit und dem zu Lernenden bekommen hast: Wirst du mit diesem Material durchkommen oder ist es zu detailliert? Lieber mit einem etwas oberflächlicherem Skript fertig werden, als ein detailliertes Lehrbuch nur zur Hälfte zu schaffen.
- Musst du das Material noch „zwischenverwerten“ oder kannst du direkt mit ihm lernen und wiederholen? Bei Videos musst du z.B. mitschreiben, wenn du es nicht immer wieder zur Wiederholung des Stoffes angucken willst. Das frisst Zeit. Aus PDFs hingegen kannst du Inhalte bequem etwa in deine Karteikartenapp kopieren, statt alles abzuschreiben.
Wenn du das Material festgelegt hast, mit dem du den gesamten Stoff nach deinem ersten Eindruck realistisch in der verbleibenden Zeit abdecken kannst, notiere dir in der nächsten – der zweiten Spalte – welche Seiten (oder bei Videos: Wie viele Minuten) du für den jeweiligen Stoff bearbeiten musst, eingeteilt in kleine Abschnitte, etwa Lehrbuchkapitel.

Schritt 3: Zeitaufwand berechnen ⏱
Nun musst du zwei Grundannahmen treffen: a) Wie viele Minuten du – realistisch – an einem Lerntag mit der Aufnahme von Wissen anhand deiner Materialien aufwenden kannst und b) wie viele Minuten du durchschnittlich pro Seite/Videominute brauchst, um sie vollständig zu bearbeiten.
a. Lernzeit pro Tag
Der Tag hat nur 24 Stunden und soll nicht nur aus Lernen bestehen. Reserviere genug Zeit für erholsamen Schlaf, Entspannung, Bewegung, Ernährung und verpflichtende Termine. Dein Gedächtnis ist kein Roboter, der 24/7 auf Hochtouren arbeitet! 🤖 Ob du willst oder nicht – und eigentlich ist das ja eine schöne Nachricht: Deine Leistungsfähigkeit hat Grenzen; du kannst nur eine begrenzte Zeit erfolgreich lernen. Das heißt aber auch: Fang daher früh genug an. Über den Daumen gepeilt dürften 6 Stunden in intensiveren Phasen ein gesundes Maximum sein, kurz vor den Prüfungen vielleicht 8 Stunden.
Nehmen wir nun an, du rechnest mit durchschnittlich 6 Stunden Lernzeit pro Tag. Entscheide jetzt, wie viel dieser Zeit du für die Aufnahme von Wissen verwenden willst, sprich die initiale Bearbeitung der in Schritt 2 festgelegten Materialien. Lasse Zeit für die Wiederholung von einmal aufgenommenen Wissen (z.B. Karteikarten) und dessen Anwendung (z.B. Übungsaufgaben) übrig. Vielleicht 50 % – 25 % – 25 %? Also 3 Stunden Zeit für Wissensaufnahme pro Tag.
Möglicherweise fällt es dir schwer, diese Annahmen aus der Luft zu greifen. 🤷♀️ Das ist kein Problem. Eine gute Planung beinhaltet, bspw. wöchentlich zurückzublicken, Geplantes und tatsächlich Geschehenes zu vergleichen und den Plan ggf. anzupassen (dazu später Schritt 6). Mit der Zeit wirst du ein gutes Gefühl dafür bekommen, wie ein zu dir passender Lernplan aussieht. Aber: Mit irgendeinem Annäherungswert müssen wir ja anfangen.
b. Lernzeit pro Seite/Videominute
Diese Zeit zu bestimmen ist schon einfacher. Lerne eine halbe Stunde konzentriert drauf los (mit Notizen anfertigen, Karteikarten schreiben oder Nachschlagen von Details; das ganze Paket; deswegen bei Videos auch nicht einfach deren Länge notieren) und dividiere 30 Minuten durch die Zahl der geschafften Seiten/Videominuten. Mit diesem Durchschnittswert können wir erstmal arbeiten und ihn ggf. nach einer Woche Plandurchführung anpassen.
Wenn du, was ich empfehlen würde, alle 25 Minuten Lernen eine kleine 5-Minuten-Pause einlegen willst, multipliziere das Ergebnis mit 1,17. Hintergrund ist die sogenannte Pomodoro-Technik 🍅, die deine Produktivität und Entspannung steigert.
c. Zeitaufwand pro Material errechnen
Multipliziere nun die Seitenzahl/Videominuten jedes Materials mit der errechneten Lernzeit pro Seite/Videominute und trage diese in der dritten Spalte ein. Dividiere diese Zahl dann durch deine Lernzeit pro Tag für das Aufnehmen von Wissen und trage das Ergebnis in der vierten und letzten Spalte ein. Wenn du bisher Stift und Papier genutzt hast, lohnt sich jetzt vlt. der Wechsel zu Excel o.ä.
Nun weißt du genau, wie viele Lerntage du pro Material brauchst. Addiere all diese Zahlen und du weißt, wie viele Lerntage du für den gesamten Lernplan benötigst.

Schritt 4: Eventuell kürzen ✂
Wenn du jetzt feststellst, dass du mehr Lerntage brauchst, als du noch Zeit bis zu deiner Deadline hast (abzgl. Urlaubstage oder Puffer, wenn du krank wirst oder etwas länger dauert als geplant), musst du wohl oder übel kürzen. Du kannst an folgenden Stellschrauben drehen:
- Wähle weniger umfangreiches Material aus, z.B. statt eines dicken Lehrbuchs ein Kurzlehrbuch oder Skript. Spiele Videos in höherer Geschwindigkeit ab.
- Priorisiere. Was kannst du schon gut? Investiere lieber mehr Zeit in deine Schwächen. Oder: Was kommt so gut wie immer oder oft dran, was nur selten? Jurastudenten in NRW profitieren z.B. von der Auswertung der Universität zu Köln, welche Themen im Examen wie oft vorkamen.
- Als Notlösung: Verringere die geplante Zeit pro Seite/Videominute oder erhöhe die Lernzeit pro Tag für die Wissensaufnahme. Notlösung, weil dir ein unrealistischer Plan nichts bringt. Verspricht dir selbst nichts, was du nicht halten kannst.
Auch hier kommen dir Excel-Kalkulationen zugute. Drehe an den Stellschrauben und siehe, wie du dich dem perfekten Plan annäherst.
Schritt 5: Kalender 📅
Wir sind schon fast am Ende. Du solltest nun wissen, mit welchen Materialien du in der verbleibenden Zeit den gesamten Stoff realistisch schaffst. Gehe nun in deinem Kalender der Reihe nach die Tage durch, an denen du lernen möchtest, und trage aufzunehmenden Stoff für – nach deinen Berechnungen – einen Lerntag als Lerntermin ein. Trage außerdem ein, wann du bereits aufgenommenes Wissen wiederholen und wann du welches üben möchtest. In digitalen Kalendern kannst du sich wiederholende Termine benutzen. Beachte dabei Folgendes:
- Wenn die Deadline für bestimmten Stoff früher ist als für anderen, gewichte diesen in der Zeit vor früheren Deadline höher. Schließlich kannst du im Gegenzug nach dieser Deadline die nun freigewordene Zeit, wo du den alten Stoff nicht mehr lernen musst, für den verbleibenden Stoff benutzen.
- Du erzielst den besten Lernerfolg, wenn du das Lernen eines Stoffes über möglichst lange Zeit auf kleine Einheiten erstreckst. Lerne also nicht in einer Woche Stoff A und in der nächsten Stoff B, sondern wechsle täglich.
- Trage dir im Kalender genau ein, welche Seiten/Videos du dir wann anschauen willst, sodass du dich einfach nur an den Schreibtisch zu sitzen brauchst und sofort weißt, was zu tun ist.
- Wenn ein Lerntermin verstrichen ist, passe ihn so an, wie es tatsächlich war. Du solltest um 9 Uhr anfangen, hast tatsächlich aber erst um 10 Uhr angefangen? Von 10:30 bis 11:00 Uhr hast du nur in der Küche gestanden und genascht? Verändere den Termin entsprechend, auch wenn er schon verstrichen ist. Gemein, ich weiß. Aber daraus kannst du später Erkenntnisse ziehen und du siehst die Folgen deines Handelns: Andere Termine müssen gequetscht oder gar gestrichen werden. 😑
Und nicht zu vergessen: Freue dich, wenn du einen geplanten Termin eingehalten hast, und klopfe dir selbst auf die Schulter. Hake ihn vielleicht sogar physisch ab. Diese kleine Belohnung hast du dir verdient. 🍬
Schritt 6: Reflexion 🤔
Der erste Plan steht. Prima! Führe ihn jetzt eine Woche aus und versuche dich strikt an ihn zu halten. Lasse die Wochen z.B. jeden Sonntag Revue passieren und schau auf die Termine der vergangenen Woche: Wo bist du vom Plan abgewichen und warum?
- Kannst du dich zu bestimmten Tageszeiten besser konzentrieren? Versuche, die für dich schwierigste Lernaktivität hierher zu verlegen und konkurrierende Termine zu verschieben.
- Beanspruchen andere Tätigkeiten Zeit, die du zum Lernen bräuchtest? Dann musst du diese vielleicht einschränken. Es ist ja nur vorübergehend.
- Fängst du morgens nicht pünktlich an, weil du am Vorabend zu lange wach bleibst? Dann ändere diese – in diesem Kontext – schlechte Gewohnheit.
- Bist du diese Woche nicht fertig geworden? Dann verplane evtl. freie Puffertage damit, dies nachzuholen, oder verschiebe den nicht geschafften Stoff in die nächste Woche und dann auch dort die verdrängten Termine in die übernächste Woche usw. Wenn die Lerntermine dann am Ende über die Deadline „überschwappen“, wirst du den Lernplan kürzen müssen.
- Brauchst du mehr Zeit pro Seite/Videominute? Hast du dich mit deiner Lernzeit pro Tag etwas übernommen? Gehe zurück in deinen Lernplan und passe es entsprechend an. Wenn jetzt die Zeit wieder nicht reicht, hilft wieder nur eines: Kürzen.
Passe den Plan so immer wieder an. 🔁 Mit der Zeit wirst du ein gutes Gefühl entwickeln, was zu dir passt und was du realistisch leisten kannst. Außerdem werden dir die Folgen der Aufschieberitis vor Augen geführt, wenn du zu oft das Lernen nach der Devise: „Sind doch noch 2 Monate!“, auf die lange Bank schiebst. Am Ende wirst du nicht fertig werden und musst Termine quetschen oder gar streichen.
So, das war’s! Vielen Dank für das Lesen!
Ich hoffe, diese 6 Schritte zum perfekten, maßgeschneiderten Lernplan für das Abitur, Studium oder Examen haben dir geholfen. Schreibe mir gerne, wenn du Fragen oder Anregungen hast.
Vielleicht jetzt noch eine kostenlose Google Sheet-Vorlage? 🧮